Kathrin Kagelmann: Erstaunliche rhetorische Pirouetten bei Ablehnung von Sozialpass und Gedenken an 8. Mai
Zur Diskussionskultur in der Sitzung des Kreistages des Landkreises Görlitz am 21. 4. 2010 erklärt die Vorsitzende der Fraktion Die LINKE, Kathrin Kagelmann:
Erstaunliche rhetorische Pirouetten bei Ablehnung von Sozialpass und Gedenken an 8. Mai
Kreistage sind in der Regel wenig spannend. Selten entwickelt sich eine rege Diskussion. Zuviel wurde in Fachausschüssen vorbesprochen. Den ruhigen Fluss der Abstimmungen durchbrechen dagegen regelmäßig Anträge der Fraktion Die LINKE. Dabei erstaunen im Kreistag immer wieder rhetorischen Pirouetten, zu denen sich Kreisräte von CDU, Grüne oder DSU veranlasst sehen, um halbwegs öffentlich nachvollziehbar die längst ausgemachte Ablehnung zu begründen. Der letzte Kreistag bot dazu wieder zwei eindrucksvolle Beispiele:
Der Antrag der Linksfraktion zur Einführung eines Sozialpasses für Erwerbslose, der zum ermäßigten Eintritt in Kultur- und Sozialeinrichtungen des Kreises berechtigen sollte, wurde seit etwa einem Jahr im Sozial- und Hauptausschuss diskutiert. Die LINKE wollte lediglich ein praktiziertes und nach Einschätzung von Betroffenenorganisationen bewährtes soziales Modell aus dem Altkreis Löbau-Zittau auf den neuen Landkreis Görlitz übertragen. Der Sozialpass verursacht keine Kosten und nur wenig Aufwand in der Verwaltung, Betriebe und Einrichtungen beteiligen sich auf freiwilliger Basis an dem zusätzlichen Angebot für Erwerbslose. Deshalb hielten viele Kreisräte das Anliegen durchaus für unterstützenswert. Lediglich die Sozialdemokraten meinten es mit dieser Aussage auch bei der Abstimmung ernst. Die Grünen referierten ausführlich über die Erfahrungen aus Löbau-Zittau bei der damaligen Einführung des Projektes, um schließlich die fehlende Evaluation des Modells als Ablehnungsgrund anzubringen, obwohl nach Aussage des Landrates diese Bewertung lange vorliege. Ein Kreisrat der CDU schlug eine Spendenaktion der Kreisräte zur Finanzierung von Instrumentalunterricht für benachteiligte Kinder vor, die viel dringlicher wäre als ein „Alibi-Antrag“ Sozialpass. Die Anrufung des sozialen Gewissens der Kreisräte bleibt freilich für die bemühten Kinder folgenlos. Sie diente nur der Begründung der Ablehnung des Linksantrages.
Im Übrigen: In Sachsen gibt es nach dem Vorbild anderer Bundesländern seit 2009 ein Landesprogramm: „Jedem Kind ein Instrument.“ Leider zeitlich befristet und begrenzt auf ausgewählte Grundschulen. Der Kreis Görlitz gehört nicht dazu. Vielleicht sollten sich die Kreisräte der CDU bei ihrer Regierungstragenden Landtagsfraktion um die Erweiterung des Projektes bemühen?
Ähnlich erging es dem zweiten Antrag der Linksfraktion zur Organisation einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 65. Jahrestages der Beendigung des II. Weltkrieges. Was in vielen Kommunen Normalität ist, darf im Kreis nicht zugelassen werden.
Und so haben wohl beide Ablehnungen weniger mit dem Inhalt der Anträge zu tun, dafür mehr mit dem Antragsteller. Ich bin deshalb nicht überzeugt, dass wir, 20 Jahre nach den ersten freien Wahlen, an die der Kreistag zu Beginn seiner Beratung feierlich erinnert hatte, wirklich die Chancen einer gelebten parlamentarischen Demokratie auch nur ansatzweise erfassen.
Kathrin Kagelmann
Vorsitzende der Fraktion Die LINKE. im Kreistag Görlitz