Kathrin Kagelmann: Zur verwehrten Anerkennung nach §75 KJHG für die Turmvilla Bad Muskau
Kathrin Kagelmann, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Görlitz, zur Entscheidung des Jugendhilfeausschusses dem Verein Turmvilla e.V. die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe zu verweigern.
Die Pfründe in der beständig unterfinanzierten Jugendhilfelandschaft des Landkreises sollen neu verteilt werden und ein Opfer ist schon auserkoren: die Turmvilla in Bad Muskau.
Das jedenfalls ist der Eindruck, den ich gewinnen muss, wenn ich den Übereifer des Jugendamtes bei der Verfolgung eines Vereins werte, der zwanzig Jahre lang fachlich gute Arbeit im Bereich Soziokultur und Bildung auch als Leistungserbringer für den Kreis vorzuweisen hat.
Nachdem der Turmvilla im Zuge einer Finanzprüfung Unregelmäßigkeiten bei der Mittelverwendung vorgeworfen wurden, handelte der Vorstand des Vereins konsequent und schnell: Er löste selbst staatsanwaltliche Untersuchungen aus, er setzte Personalveränderungen durch, er eröffnete dem Jugendamt volle Akteneinsicht. Aber die war offensichtlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt, nämlich mit der Frage, wie dem Träger recht schnell und relativ unauffällig die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 KJHG und damit sukzessive auch die finanzielle Grundlage der Existenz entzogenwerden könnte. Frühere Versuche, den offenbar unliebsamen Träger auszuschalten, scheiterten noch an der plumpen Art, mit der der Ausschuss überrumpelt werden sollte.
Inzwischen war meine Fraktion soweit irritiert, dass wir Akteneinsicht in den ausufernden Schriftverkehr zwischen Jugendamt und Turmvilla beantragten. Danach entstand dem Landkreis aus den angezeigten Vorwürfen kein direkter finanzieller Nachteil, denn es wurde nachweislich kein Geld außerhalb des Bereiches der Kinder- und Jugendhilfe ausgegeben. Diese zwei Fakten sollten ausreichen, um weiterem hektischen Treiben der Verwaltung den Wind aus den Segeln zu nehmen und in aller Ruhe das Ende der juristischen Aufarbeitung abzuwarten.
Aber wieder treibt das Jugendamt den Ausschuss vor sich her mit einer neuerlichen „rechtlichen Glanzleistung“: Die Anerkennung des Jugendrings, einem großen kreislichen Dachverband von Trägern der Jugendhilfe im Landkreis, soll für alle Mitgliedsvereine gelten – außer für die Turmvilla! Das stellt einen klaren Eingriff in die Autonomie eines Interessenvertreters von Vereinen der Jugendhilfe dar und dürfte bis dahin einmalig in Sachsen sein. Der § 75 KJHG sieht nur eine Voraussetzung für die Anerkennung vor, die Tätigkeit im Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe und diese Voraussetzung erfüllt der Turmvilla e.V..
Egal, das eigentliche Ziel dürfte ohnehin schon erreicht sein: Der Ruf der Turmvilla e.V. ist soweit beschädigt, dass man bereits dazu übergegangen ist, sein Fell unter den Trägern im Kreis anzubieten. Aber Vorsicht: Der finanzielle Druck im Jugendhilfebereich wird bleiben. Im neuen Doppelhaushalt der sächsischen Staatsregierung wird weder die in 2010 drastisch abgesenkte Jugendpauschale angehoben noch weiß jemand, wie der versprochene Flächenausgleich für ländliche Regionen ausfinanziert ist.
Die Turmvilla könnte nur das erste Opfer sein. Wer sich als Anwältin der Kinder und Jugendlichen sieht und in dieser Position auch Entscheidungen des Landkreises kritisch hinterfragt, könnte schnell in den zweifelhaften Genuss der rechtlichen Taschenspielertricks der Verwaltung kommen und deren Wohlwollen verlieren.