Antwort auf den offenen Brief der AGT an die Kreisräte und Kreisrätinnen zur geplanten Reduzierung der Fachkräfte im Bereich der präventiven Kinder- und Jugendhilfe
Sehr geehrtes Sprecherteam der AGT,
vielen Dank für den Offenen Brief! Ich begrüße es, dass sich die AGT – fast möchte ich hinzufügen endlich (!) – gegenüber dem Kreistag zu den geplanten Kürzungen im Bereich der Fachkräfte für die präventive Kinder- und Jugendhilfe positioniert. Meine Fraktion hat ja dazu bereits öffentlich Stellung bezogen. Allerdings hinterlässt mich der Brief auch etwas ratlos: Was wird von mir als Kreisrätin, was wird von meiner Fraktion konkret erwartet?
Bereits der Doppelhaushalt des Kreises 2013/2014 zeigte im Etat des Jugendamtes deutlich qualitative Veränderungen zwischen den aufgewendeten Mitteln im präventiven und nachsorgenden Kinder- und Jugendhilfebereich auf. Darauf hatte meine Fraktion in der Haushaltsdiskussion ausdrücklich hingewiesen. Ein Änderungsantrag meiner Fraktion zur Erhöhung der Mittel für die präventive Jugendarbeit um jeweils 250.00 Euro/Jahr und damit auf den Planansatz von 2009 (!) fand dennoch keine Zustimmung – aber auch keine öffentliche Unterstützung im Kreistag. Vielmehr ging die Mehrheit einmal mehr den Weg der stillen Beerdigung durch Rücküberweisung in den Fachausschuss. Nach einem Jahr haushaltsloser Zeit im Kreis gab es offensichtlich keinerlei Bereitschaft unter den Kreisräten, die Verabschiedung des Haushaltes durch noch so minimale Korrekturen des Vorschlages der Kreisverwaltung in einzelnen Haushaltspositionen zu gefährden.
Nun wird die im aktuellen Haushalt angelegte Kostendämpfungspolitik der Kreisverwaltung u.a. durch Reduzierungen von Fachkräften im präventiven Jugendhilfebereich konsequent fortgesetzt und in den beschließenden Jugendhilfeausschuss hineingetragen, dessen Vorsitzender bekanntermaßen der Landrat selbst ist. Der Antrag, vor allem seine Intention, spielte offensichtlich zu keiner Zeit mehr eine Rolle im Fachausschuss. Eine Aussage, wie die von Christian Klämbt in der SZ vom 19. 8. 2013 zur Thematik, wonach „… der Landrat (…) hinter uns (steht) …“ dürfte da eher den Charakter eines Stoßgebets gen Kreisverwaltungshimmel haben.
Ich bin auch sehr gespannt, wann sich der Kreistag – wie vom Landrat offensichtlich in Aussicht gestellt – mit dem Dauerbrenner Kinder- und Jugendhilfe beschäftigen wird, denn bisher wurden solche Anregungen immer mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass die besondere Stellung des beschließenden Jugendhilfeausschusses eine Befassung des Kreistages erübrigt. Dabei gehe ich davon aus, dass „ … in den Kreistag bringen …“ nicht lediglich die Information über die aktuell erteilte Haushaltssperre aufgrund eines aufgelaufenen Haushaltsdefizits von 6 Mio Euro meint – wobei wieder die Jugend- und Eingliederungshilfe am stärksten zu Buche schlägt. Das dürfte die Verhandlungsbasis noch einmal einschränken, macht aber die Dringlichkeit einer langfristigen Problemlösungsstrategie umso deutlicher!
Kann ich also davon ausgehen, dass der Landrat dem Kreistag – oder stellvertretend für die Verwaltung die CDU-Fraktion – in absehbarer Zeit einen konkreten Vorschlag zur finanziellen Aufstockung im präventiven Kinder- und Jugendhilfebereich unterbreiten wird? Oder wie ist das medial unterstellte „Schulterklopfen“ des Landrates im SZ-Artikel zu verstehen?
Ich wäre ja schon dankbar über eine offene und öffentliche Diskussion im Kreistag zu Bedarfen, Angeboten und Finanzausstattung in der Kinder- und Jugendhilfe, weil Kreisräte eine Gesamtverantwortung für den Haushalt besitzen und deshalb das Problem des ungebremsten Kostenaufwuchses im Sozialbereich nicht länger dem Fachausschuss allein überlassen dürfen.
Ich bin mir bewusst, dass Sie sich als AGT in einer enorm schwierigen Situation befinden: Man beißt (eigentlich) nicht die Hand, die einen füttert! Auf der anderen Seite kann die Kreisverwaltung an der Decke Haushalt ziehen, wie sie will: Sie bleibt zu kurz! Der Kreis kann seine Finanzierungsprobleme nicht allein bewältigen. Allerdings gab es von Landesseite im letzten Doppelhaushalt gerade in Sachen Jugendpauschale kein Einlenken gegenüber den Kommunen. Insofern glaube ich weniger an einen nachhaltigen Erfolg von freundlichen Einzelgesprächen mit dem Land.
Der Offene Brief war richtig und wichtig! Aber es ist ganz klar: Wenn der Kreistag, die Verwaltung und in diesem Fall auch der Jugendhilfeausschuss nicht (noch einmal) gemeinsam den Mut aufbringen, gegenüber dem Freistaat unmissverständlich eine stärkere finanzielle Unterstützung anzumahnen, wird es – wenn überhaupt – nur faule Kompromisse oder kurzfristige Insellösungen für einzelne Projekte und anpassungswillige Träger geben: Ein wohldosiertes Sterben im Kinder- und Jugendhilfebereich, das bereits begonnen hat.
Ich möchte Sie deshalb um Gegenzug um Unterstützung für folgende Anliegen bitten:
- Wir brauchen im Kreis mehr Solidarität und zwar zuerst zwischen den verschiedenen Trägern der freien Jugendhilfe.
- Wir brauchen ein Problembewusstsein im Kreistag – und da müssen gerade die Räte der „Kinder und Jugend im Kreistag“ als d i e Interessenvertreter und Fachleute für Jugendpolitik spürbar werden.
- Und wir brauchen mehr Mutige im Kreis und in seiner höchsten Bürgervertretung, die politischen Streit als produktive Form der Willensbildung einer demokratischen Gesellschaft begreifen und bereit sind, notwendige Diskussionen auch öffentlich zu führen.
Ich bin gern bereit, an dieser Stelle mit Ihnen weiter zu diskutieren und verbleibe
mit solidarischem Gruß
Kathrin Kagelmann
Fraktionsvorsitzende