Fachforum JUGENDHILFE im Landkreis Görlitz vom 23.Januar 2014
Eingeladen zu der vom Jugendring Oberlausitz e.V. organisierten Veranstaltung waren KreisrätInnen, PolitikerInnen, Mitglieder des Jugendhilfeausschusses, MitarbeiterInnen der Verwaltung und der Freien Träger.
Von der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Görlitz waren Kathrin Kagelmann, Friedbert Stübner, Manfred Klatte und Heike Krahl anwesend.
Die Freien Wähler hatten eine Vertreterin und von der CDU war Herr Bienst bis zum Ende der ersten Referentin da.
Schade, dass das Interesse der Kreisräte so mangelhaft war, besonders unter dem Hintergrund des Sonderkreistages extra zum Thema Jugendhilfe.
Die für mich wichtigsten Punkte möchte ich hier noch zusammenfassend mitteilen.
Frau Dr. Ulrich (Landesvorstand des Deutschen Kinderschutzbundes Sachsen e.V.) referierte zum Thema „Chancengerechtes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen“
Jeder 5. ist in Sachsen arm, aber wo beginnt die Armutsgefährdung? Wenn man weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, also unter 850€ , und davon sind 800.000 Menschen in Sachsen betroffen
Von Armut betroffene sind häufiger krank, nehmen seltener an Bildungsangeboten und Veranstaltungen teil,
227.000 Kinder in Sachsen erfüllen die Kriterien um das Teilhabepaket beantragen zu können, 50% der Mittel kommen an, wohin geht der Rest der Gelder?
Teilhabe bekommen nur versetzungsgefährdete Kinder, warum wird nicht eher Hilfe gewährleistet, warum nicht, um den Sprung auf das Gymnasium zu schaffen?
Es sollte beitragsfreie Verpflegung, beitragsfreie Nachhilfe und beitragsfreier Sport für Hilfebedürftige geschaffen werden
Laut UNICEF Bericht ist der wichtigste Punkt für eine positive Entwicklung der Kinder, dass die Eltern ihr Auskommen selbst erwirtschaften und ihr Leben selbst gestalten, nur so lernen die Kinder auch ihr eigenes Leben zu gestalten
10% der Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss, was zu lebenslanger Hilfe mit Sozialleistungen führt.
Es werden zwar weniger Kinder geboren, aber dennoch steigen die Fallzahlen
So stiegen die Fälle für Hilfen zur Erziehung (HzE) im Jahr 2008 von 13326 auf 15757 Fälle im Jahr 2012.
Die Hauptursache wird in unzureichender Prävention gesehen, die angeblich keine Pflichtaufgabe ist.
Hier verweist Frau Dr. Ulrich auf das Gesetz im SGB VIII §79
§ 79 Gesamtverantwortung, Grundausstattung
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung.
(2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen gewährleisten, dass zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch
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die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen; hierzu zählen insbesondere auch Pfleger, Vormünder und Pflegepersonen; |
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eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a erfolgt. |
Von den für die Jugendhilfe bereitgestellten Mitteln haben sie einen angemessenen Anteil für die Jugendarbeit zu verwenden.
(3) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für eine ausreichende Ausstattung der Jugendämter und der Landesjugendämter zu sorgen; hierzu gehört auch eine dem Bedarf entsprechende Zahl von Fachkräften.
Hier steht nichts von „freiwilliger Leistung“ wie von der Verwaltung entgegnet wird. Ihrer Meinung nach wäre die Auslegung „freiwillig“ sogar Gesetzeswidrig. Das Land Sachsen begründete die Kürzung immer mit Mindereinnahmen, tatsächlich gab es aber 1,5 Mio Mehreinnahmen.
2009 wurde bei der Landrätekonferenz festgestellt, dass sich die Jugendpauschale bewährt hat und fortzuführen ist.
Eine wichtige Frage ist: Was braucht das Kind, um sich gut zu entwickeln?
- Hierbei muss die 1. Frage sein, welchen Bedarf das Kind hat und nicht, was kostet das!
Der 2. Referent war Hartmut Mann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und sprach über „Aktuelle Handlungsansätze für die offene mobile Jugendarbeit in Sachsen“.
Es wurde ein Sozialstrukturatlas erstellt aus 11 Indikatoren, demnach hat Görlitz die höchste strukturelle Belastung
Es scheint, dass die Jugendarbeit nicht unwichtig ist, aber es gibt anscheinend Vieles, das wichtiger ist.
Die heutige Jugend hat größtenteils „eine Kindheit auf Rädern“ hinter sich
Was ist dann noch an Freizeit da, in der sich Kinder entwickeln?
Es muss Konzepte für kurze Wege geben
Früher „brachte“ die ganze Familie die Kinder durch, heute kennen die Kinder nicht mal die Verwandten
Auch er ist der Meinung, dass mehr Prävention die Kosten zu Hilfen zur Erziehung senken könnte
Gute Jugendhilfeplanung ist das Wichtigste und dazu sind 4 Schritte zu beachten.
- Bedarf, Situation, Statistiken, Beteiligung
- Sozialraumprofile, nicht zu große Sozialräume
- Bestandserhebung
- Maßnahmeplanung, Angebote
Analyse der Fehler ist wichtig
Der 3. Referent war Prof. Ulrich Ginzel von der Hochschule Dresden zum Thema: Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Jugendhilfe“
Jugendhilfe ist für soziale Befriedung, frühe Hilfen, und für Hilfen in Schule und Familie da.
Die Mittel teilen sich folgendermaßen auf:
- 59,0% für Tageseinrichtungen für Kinder
- 26,6% HzE (bei Kommunen ist die der höchste Anteil)
- 8,0% Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit
- 0,5% allgemeine Förderung
- 5,9% sonstiges
Die Jugendhilfe ist in kommunaler Verantwortung, aber es herrscht eine unzureichende Finanzausstattung. Die Kommunen haben kaum Einfluss auf die Einnahmen, umso wichtiger ist die Jugendhilfeplanung als Steuerungselement.
Gesellschaftliche Forderungen an die Familie haben sich geändert
- Erwartungen an die Familie
- Familien und Netzwerke sind instabil geworden
- Technische und globale Veränderungen müssen bewältigt werden
- Mobilität und Flexibilität müssen bewältigt werden
- Die Familie muss als Bildungsagentur agieren
- Es existiert ein erhöhter Anpassungsdruck
- Es erfolgt mehr Kontrolle
- Unsicherheiten müssen bewältigt werden
In den rechtlichen Anforderungen ist auch deutlich die Beteiligung geregelt.
Wichtig ist die Qualität der Beteiligung, die weit gefächert sein sollte.
In der Jugendhilfe sollten Kindertageseinrichtungen einbezogen werden und über die Kinder- und Jugendarbeit, Förderung der Erziehung/Familienbildung, über Hilfen zur Erziehung (HzE), über die Jugendhilfeplanung und nach seiner Meinung auch über Eltern-/Jugendlichen-Beiräten die beim Jugendamt angesiedelt sind, erfolgen.
Die Erziehungshilfe ist nötig zur
- Bewältigung von Lebenskrisen
- Kompensation von Mängellagen
- Überwindung von Hilfebedürftigkeit
- Stärkung von Eigenverantwortung bei Eltern, Mädchen und Jungen
- Verhinderung dauerhafter Abhängigkeit
Denn es gibt genügend prekäre Lebenslagen
Bundesweite Armut :
- 61% aller Familien sind in HzE Transferbezug (Sachsen 78%)
- 72% bei Alleinerziehenden Familien (Sachsen 54%)
- 48% Alleinerziehende
Die steigenden Fallzahlen in den HzE sind in einer Verbindung zu den sich verschlechternden sozioökonomischen Lebenslagen für Familie und den brüchiger werdenden Familienkonstellationen zu sehen.
Da die Mittel immer weniger werden, ist auch auf unwirksame Hilfen zu achten und diese durch wirksamere ersetzen
- 54,5% ungeplant beendete Heimerziehung (1991 noch 33,2%9
- 43,5% ungeplante beendete HzE Vollzeitpflege
- 37,6% ungeplante SPFH (Sozialpädagogische Familienhilfe)
- Geschlossene Unterbringung
Anforderungen an das Hilfesystem überdenken, früher beginnen, Armutsfolgen kompensieren, mehr ganzheitliche Hilfen, Frühe Hilfen als Regelangebot anbieten, unabhängige Rechtshilfe- und Beschwerdestellen anbieten, neue Kooperations- und Finanzierungssysteme für kooperative Hilfen anbieten( Jugendhilfe- Gesundheit- Bildung)
Als letzten Tagesordnungspunkt wurde eine Diskussionsrunde zum Thema richtige Jugendhilfeplanung und wie erreiche ich eine richtige Beteiligung der Jugendlichen durchgeführt.