Kürzungsorgie bei Jugendhilfe geht weiter
Immer mehr Kinder sind psychisch krank und die Zahl wird steigen, so in einem Artikel der SZ vom 14.10.2016 zu lesen. Es liegt an den Eltern und an der neuen Zeit, mutmaßt der Facharzt für Kinderpsychiatrie. Helfen können Ärzte oder eben vor allem präventive Angebote der Jugendhilfe.
Und genau da sehe ich großen Bedarf, der von vielen Kreisräten nicht mitgetragen wird.
Die Fraktion DIE LINKE sprach in den letzten Wochen mit vielen Trägern, wo erneut ein großes Problem sichtbar wurde:
Die auskömmliche oder pünktliche Finanzierung der Träger der Jugendhilfe durch den Landkreis und die ausreichende Förderung der bestehenden Bedarfe ist nicht gegeben.
Hier einige Fakten aus zugänglichen Informationsmaterialien des Landkreises Görlitz, so z.B. aus der .
Bedarfsfeststellung zur Fortschreibung der Jugendhilfeplanung ab 2017:
- Haushalts-Netto-Einkommen von 985 € im Jahr 2011 nur auf 1072 € im Jahr 2014 gestiegen ist und der Landkreis Görlitz damit am Ende der NegativRangliste Deutschlands steht.
- Die Anzahl der Fälle im Bereich Hilfen zur Erziehung stieg im Zeitraum 2009 bis 2011 insgesamt von 1.414 auf 1.553. Im Jahr 2014 wurden 1789 Fälle erfasst.
Die nackten Zahlen sind alarmierend: Die Anzahl der Klienten in den Suchtberatungsstellen des Landkreises Görlitz ist im Jahre 2014 im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent gestiegen – (von 1590 auf 1707) – und das bei einem Rückgang der Gesamtbevölkerung im Landkreis um drei Prozent. 52 Prozent kommen, um auf ein Alkoholproblem hinzuweisen; 18 Prozent – in absoluten Zahlen 303 – wegen illegalem Suchtmittelkonsum (SZ 24.03.2015)
Im Bereich der sächsischen Suchthilfe ist in den letzten Jahren eine deutlich nachvollziehbare Zunahme von Menschen mit einer Abhängigkeitsproblematik von Stimulanzien – vor allem von Crystal Meth – zu verzeichnen, wobei das Einstiegsalter weiter sehr gering ist.
Dennoch werden weniger Suchtberatungsstellen vorgehalten.
Auch bei der Schulabbrecherquote rangiert Sachsen trotz Verbesserungen weiter in der bundesweiten Negativ-Spitzengruppe. Der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss betrug demnach 9,1 Prozent. Das sind 3,1 Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt (SZ 11.12.2014)
Sozialindizes und Arbeitslosenquote belegt der Landkreis regelmäßig den letzten Platz (Planungsraumbeschreibung 2016)
Auch bei den landkreisweit erfolgten Einschulungsuntersuchungen gab es gravierende Auffälligkeiten. Insbesondere in den Bereichen Sprache und emotional-psychosoziales Verhalten, deuten darauf hin, dass zunehmend bereits Eltern von Kindern im Vorschulalter nicht mehr über ausreichende Kompetenzen zur Förderung ihrer Töchter und Söhne verfügen. In allen Planungsräumen schätzten Fachkräfte der Jugendhilfe und Kooperationspartner aus den Bereichen Bildung, Polizei, Gesundheits- und Sozialwesen ein, dass sich Eltern zunehmend mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert fühlen.
Es werden Familien wahrgenommen, die mit teilweise sehr komplexen Problemlagen konfrontiert sind und bei verschiedensten Trägern um Hilfe nachsuchen.
Diese Angebote funktionierten seit Jahren sehr gut, aber immer mehr Träger signalisieren inzwischen Kapazitätsgrenzen.
Der Landkreis Görlitz benötigt weiterhin vielfältige Angebote, die Eltern und anderen an der Erziehung beteiligten Personen helfen, ihre Erziehungskompetenzen zu erhalten, zu stärken oder sogar zu entwickeln.
Aber was passiert im Landkreis Görlitz?
Jugendhilfeausschuss und Kreistag, die mehrheitlich CDU geführt sind, beschlossen mehrheitlich die Senkung von 50,2 auf 46 Vollzeitstellen (VzÄ) im Jahr 2010 und am 02.06.2016 nur 42,5 VzÄ also wieder 4 VzÄ weniger als in den letzten Jahren, obwohl wir Abgeordneten der LINKEN Fraktion auf die Situation aufmerksam machten und nicht zustimmten.
Statt wir die präventive Arbeit befördern, schließen wir seit Jahren Projekte und Jugendclubs. Die zusätzliche Arbeit mit Flüchtlingskindern und Migrationsfamilien wird in Zukunft auch zusätzliche Kräfte und Zeit beanspruchen, was einige Träger jetzt schon an ihre Leistungsgrenzen bringt. Dem Bedarf der erhöhten interkulturellen Kompetenz muss unbedingt Rechnung getragen werden. Dies kann nicht nur den ehrenamtlichen Migrationshelfern überlassen werden.
In der Jugendhilfelandschaft, nicht nur unseres Landkreises, gibt es nach wie vor Kostensteigerungen, vor allem bei den Hilfen zur Erziehung, wie der Nachtrag von 3 Mio. eindrücklich beweist.
Hier erfolgte die Planung nicht nach Bedarf, sondern nach Kassenlage.
Nicht genug der Kürzungen, auch die Arbeit der Träger wir erschwert dadurch, dass in der neuen Rahmenrichtlinie für die Gewährung von Zuwendungen vom 02.06.2016 beschlossen wurde, die Summe der Eigenmittel zu erhöhen, was bedeutet, dass zur Drittmittelwerbung zusätzliche Arbeitszeit aufgewendet werden muss. Im §5 der Rahmenrichtlinie wurde festgelegt, dass die Abschläge bis zum Beschluss der Haushaltsmittel nicht wie bisher gezahlt werden, was im Klartext heißt, dass Träger entweder ihre Mitarbeiter kündigen müssen, wenn der Haushalt, wie bis jetzt absehbar, nicht bis zum Jahresende beschlossen wird, oder den Geschäftsführern droht ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung.
Wenn wegen der unsicheren Zukunftsaussichten das Personal die Region verlässt, wird es noch problematischer mit guter, fachgerechter vertrauensvoller Jugendsozialarbeit.